Insolvenz während der COVID-19 Pandemie
Für Unternehmer, Gewerbetreibende und Selbständige ergeben sich hieraus wichtige Entscheidungshilfen, wie sie sich in Anbetracht des weitgehenden Stillstands des Wirtschaftslebens in der nächsten Zeit ausrichten und einstellen können. Eine eingehende Beschäftigung mit den neuen Mechanismen ist in der gegenwärtigen Situation unabdinglich und verhindert spätere Weiterungen bereits eingetretener Schäden und den Eintritt möglicher Strafbarkeiten.
COVInsAG - das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz
Eine besonders wesentliche Änderung wird durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) hinsichtlich etwaiger Insolvenzantragspflichten eintreten.
Nach bisheriger Rechtslage musste ein Unternehmer oder ein Wirtschaftsbetrieb im Falle der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung nach spätestens 3 Wochen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Geschieht dies nicht, macht sich der Unternehmer/die Leitung des Unternehmens regelmäßig wegen Insolvenzverschleppung strafbar und hat meist für den Großteil der Verbindlichkeiten auch mit dem persönlichen Privatvermögen zu haften.
Eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die Rechtsprechung grenzt die drohende Zahlungsunfähigkeit von der unproblematischen, vorübergehenden Liquiditätslücke anhand einer Faustformel ab. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners mehr als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.
Nachdem gegenwärtig auf der Hand liegt, dass diese Situation innerhalb kürzester Zeit bei Tausenden Unternehmen eintreten wird oder schon eingetreten ist, hat sich der Gesetzgeber nun zur Aussetzung von der Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Bedingungen entschieden:
- Eine etwaige Insolvenzantragspflicht wird zunächst bis 30. September 2020 ausgesetzt.
- Das Bundesjustizministerium kann diese Frist erforderlichenfalls bis höchstens 31. März 2021 verlängern.
- Die Ausnahmen von der Antragspflicht gelten nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf der COVID-19-Pandemie beruht oder keinerlei Aussichten bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
- War das Unternehmen nicht am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig, so wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
- Diese Vermutungen können zwar durch Insolvenzverwalter/Staatsanwaltschaften widerlegt werden, jedoch sollen an die Beweisführung der Widerlegung besonders hohe Anforderungen gestellt werden.
Es liegt auf der Hand, dass in diesem Bereich eine sorgfältige Prüfung der künftigen Geschäftsaussichten nach Beendigung der Krise von jedem Unternehmer und deren Berater gefordert ist. Es ist der erklärte und nachvollziehbare Wille des Gesetzgebers, keine Armeen von „Zombie Unternehmen“ zu züchten, die weder in noch nach der Krise eine Aussicht haben, im Wirtschaftsleben zu überleben. Unvermeidbare Trittbrettfahrereffekte bereits ohnehin schon seit Längerem moribunder Unternehmen sollen auf ein Mindestmaß reduziert werden.
Weitere Erleichterungen bezüglich der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Ergänzt werden die Vorschriften durch eine Reihe von Erleichterungen, die an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht knüpfen:
- Die sehr scharfe persönliche Haftung der Geschäftsführer von GmbHs und anderen Kapitalgesellschaften mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaften nach § 64 GmbH wird reduziert.
- Anfechtungsrisiken aus geschäftlichen Beziehungen zu anderen Unternehmen in der Krise werden herabgesetzt.
- Neue Kredite und Sicherheiten, überhaupt frisches Geld genießt Privilegien und ist von Anfechtung weitgehend ausgenommen
- Die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen bis zum 30. September 2023 ist ebenfalls anfechtungsfrei gestellt.
- Die Sicherung oder Befriedigung innerhalb von Dauerschuldverhältnissen wie Miete oder Leasing ist ebenfalls weitgehend anfechtungsfrei gestellt, um eine schnelle Kündigung derselben zu verhindern.
- Insolvenzanträge von Gläubigern innerhalb von drei Monaten ab Verkündung des Gesetzes können nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führen, wenn der Eröffnungsgrund bereits am 01. März 2020 vorlag.
Insgesamt kommt auf betroffene Teilnehmer des Wirtschaftslebens erhebliche strategische Denkarbeit zu.
Es muss genau darauf geachtet werden, die obigen Anforderungen für die Erlangung der Erleichterungen des neuen Gesetzes auch wirklich zu erfüllen. Andernfalls droht eine Strafbarkeit und die Haftung mit dem Privatvermögen nach den althergebrachten Bestimmungen.
Eine Entscheidung für oder gegen einen Antrag sollte in jedem Fall nur nach vorheriger schriftlicher juristischer Beratung erfolgen, schon um hinsichtlich etwaiger Straffolgen abgesichert zu sein.
Es muss in Abstimmung mit den steuerlichen und rechtlichen Beratern vor allem aber die Frage einer sinnvollen Zukunftsprognose erarbeitet und durchdacht werden. Die Stellung eines Insolvenzantrages kann schließlich auch erfolgen, wenn keine Pflicht zur Beantragung besteht. Sinnvoll wäre dies vor etwa zur Nutzung der bestehenden Sanierungsinstrumente des Insolvenzrechts.
Es ist schließlich dem Unternehmen nicht förderlich, trotz fehlender Antragspflicht in einem Stadium der Zahlungsunfähigkeit die Agonie endlos weiter zu verlängern.
Die Gefahr der strafbaren Nichtabführung von Sozialbeiträgen oder eines Eingehungsbetruges bei jeder Waren- und Dienstleistungsbestellung bleibt weiterhin bestehen und kann nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychisch zermürben.
Manchmal ist es besser, eine solche persönliche Krise moderiert in Begleitung von Spezialisten zu durchlaufen, anstatt ohne Aussicht auf Besserung monatelang zu warten und zu bangen und damit alles nur weiter zu verschlimmern.
Behalten Sie einen realistischen Blick auf die Situation Ihres Unternehmens!
Stand: 27.03.2020